Vom Polytechnikum zur Krankenhausmanagerin und Doktoratsstudium. Als orientierungslose und rebellische Teenagerin, machte Nataša ihren Eltern das Leben nicht so leicht. Wie sie ihren erfolgreichen Weg finden konnte und was Lean Management für sie beruflich sowie privat bedeutet, erzählt sie uns im Interview!

Name: Nataša Neuhold
Beruf: Krankenhausmanagerin, Lean Healthcare Management-Researcher
Herkunft: Bosnien und Herzegowina
Lebensmotto: You can never cross the ocean until you have the courage to lose sight of the shore – Christopher Columbus
Lieblingswitz vom Balkan: So ziemlich alle, die mein Papa immer erzählt.
Das finde ich krass: Die aktuellen, politischen, sozialen und wirtschaftlichen Entwicklungen.
Erzähle uns deine Migrationsstory!
Nataša: Meine Wurzeln beginnen eigentlich klassisch für ein Migrantenkind aus den 80ern. Geboren in Laibach/Slowenien, aufgewachsen bei den Großeltern in Bosnien, während die Eltern in Österreich bessere Lebensbedingungen zu schaffen versuchten. Ich wollte nie weg aus Bosnien, doch der ausgebrochene Krieg lies meinen Eltern und auch mir keine Wahl.
So kam ich mit fünf Jahren in ein fremdes Land, unter fremde Menschen, in einen fremden Kindergarten mit einer fremden Sprache. Rebellisch machte ich meinen Eltern durch meine gesamte Schulzeit das Leben schwer. Volksschule, Hauptschule und dann das Polytechnikum (um die Noten aufzupolieren). Orientierungslos, besuchte ich meinen Eltern zur Liebe die Handelsschule – wo ich auch einmal eine Klasse wiederholte. Ich wusste damals nie so richtig was und wohin ich wollte. Der Beginn meiner beruflichen Tätigkeit im Krankenhaus war dann eine glückliche Fügung, denn da lernte ich dieses System kennen und lieben. Meine hier geborene Motivation führte mich zum Bachelor im Prozessmanagement im Gesundheitswesen und weiters zum Master im Health-, Social- and Publicmanagement. Während dem Studium habe ich meine beiden Kinder bekommen. Danach startete ich als Klinikmanagerin an der Universitätsklinik für Neurochirurgie, wo mich der Wissensdurst und mein Glaube an das, was ich tue, zum Doktorat im Bereich Management und Ökonomie führten, und so forsche ich nun.
Mit welchem Thema beschäftigst du dich zurzeit?
Nataša: Ich arbeite seit mittlerweile 14 Jahren am Kepler Universitätsklinikum und bin derzeit als Qualitätsmanagerin und wissenschaftliche Referentin beschäftig.
Neben den täglichen Aufgaben im klinischen Qualitätsmanagement, forsche ich im Bereich innovativer Managementansätze im klinischen Betrieb. Aktuell arbeite ich an der ganzheitlichen und nachhaltigen Umsetzung des Toyota Production Systems (auch Lean Management) in komplexen Expertenorganisationen der Gesundheitsbranche. Hierfür versuche ich, die aus Japan stammende, Lean-Philosophie an der Universitätsklinik für Neurochirurgie in Linz einzuführen und gleichzeitig die Möglichkeiten und Grenzen dieser Ideologie im Kontext einer derart spezialisierten Struktur aufzuzeigen.
An die Sinnhaftigkeit und Chancen dieses Konzeptes glaubend, habe ich vor wenigen Wochen die Quint Consulting GmbH gegründet. Gemeinsam mit meinem achtköpfigen Expertenteam versuchen wir die Struktur-, Prozess- und Ressourcenoptimierung im Sinne der Lean-Philosophie in Organisationen des öffentlichen Bereichs (insbesondere Spitalssektor) nachhaltig zu etablieren.
Welche Erfolge/Outputs konntest du mit Lean Management erzielen?
Nataša: Die Ergebnisse/Outputs werden erst im Zuge meiner Dissertation und den Publikationen aufbereitet und aufgezeigt.
Die ersten Erfolge spiegeln sich aber jetzt schon in dem angepassten Mindset der Healthprofessionals wider. Das Bewusstsein kontinuierliche Verbesserung, Ressourceneffizienz und der Scharfsinn für die Eliminierung von Verschwendung in den Abläufen haben sich spürbar gesteigert.
Wie können Organisationen im öffentlichen Bereich Lean Management einführen und gibt es Herausforderungen, Chancen, Risiken?
Nataša: Die Umsetzung dieses Konzeptes verbuchte bereits in vielen Kliniken und anderen öffentlichen Einrichtungen weltweit messbare Erfolge, jedoch blieb die Nachhaltigkeit (vor allem im klinischen Betrieb) meist aus. Dies liegt mitunter an der mangelnden ganzheitlichen Betrachtung des Lean Management Ansatzes (Führung, Kultur und Prozesse) und der unterschätzten Bedeutung des hierfür notwendigen kulturellen Mindsets.
Genau da möchte ich ansetzen und realistische Möglichkeiten auch im klinischen Betrieb lukrieren.
Die größte Herausforderung sehe ich auch in eben diesen kulturellen Aspekten. Man darf nicht vergessen, dass diese Philosophie zum Großteil dem japanischen Qualitätsgedanken entspringt. Wer sich jemals mit dieser faszinierenden Kultur beschäftig hat, versteht sofort, worauf ich hinaus möchte. Qualität, Disziplin, und fortlaufende Optimierung mit Bestreben nach Perfektion sind fest verwurzelte Aspekte der japanischen Kultur und ziehen sich durch alle Lebensbereiche. Diese Grundeinstellung bildet auch die Basis des Lean Thinking. Lean Management wird, außerhalb Japans, häufig als ein rein technisches Instrument zur Prozessoptimierung missverstanden.
Lean Management wird, außerhalb Japans, häufig als ein rein technisches Instrument zur Prozessoptimierung missverstanden.
Nataša Neuhold
Betrachtet man das Gesundheitswesen so werden global die knappen finanziellen, personellen und zeitlichen Ressourcen beklagt. Die aktuelle politische und wirtschaftliche Entwicklung lässt vermuten, dass sich dieser Zustand nicht so schnell ändern kann und wird. Durch die Optimierung und Durchleuchtung der Prozesse entlang dem Lean Thinking, kann durch die Vermeidung von Verschwendung und Schaffung einer patientInnenzentrierten und qualitätsorientierten Kultur, der Spagat zwischen qualitativ hochwertiger Leistungsversorgung und effizientem Ressourceneinsatz nachhaltig geschaffen werden. Gleichzeitig wird das Spitalspersonal entlastet und die Mitarbeiterzufriedenheit gesteigert.
Welches Mindset hast du und wie äußert sich das in deinem Berufsumfeld?
Nataša: Da muss ich jetzt schmunzeln. Mein Mindset entspricht beinahe haargenau dem oben beschriebenen Lean Prinzip. Selbst wenn ich mit den Kindern unterwegs bin oder Einkäufe erledige, überlege ich mir, wie ich am effizientesten die Wege abgehen und meine Abläufe verschwendungsfrei planen kann. Im Mittelpunkt steht dabei immer meine Familie und deren Bedürfnisse. Ich versuche dieses Bewusstsein auch bei meinen Kindern zu schärfen. Wir überlegen uns z.B. jedes Jahr ein neues Ziel und wie wir uns selbst verbessern und entwickeln wollen – Selbstoptimierung und ständiges Streben nach Verbesserung. Auch mein Mann macht da meistens brav mit.
Die Bedeutung der „kulturellen Unterschiede“ begleiten mich seit meiner frühen Kindheit. Somit unterschätze ich diesen erfolgskritischen Aspekt auch in keinem meiner beruflichen Projekte.
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