Indira Ćejvan, Projektleiterin, erzählt im Interview, wie die Kraft der Gedanken, Konfliktmanagement und Empathie zusammenspielen. Dabei begeben wir uns auf eine emotionale Reise, vollgepackt mit einem neuen Rucksack, einer inneren Balkan Stimme und der Empathie als Kernkompetenz.
Wo bist du aufgewachsen?
Indira: Ich bin in Österreich geboren, aufgewachsen und deshalb hier so stark verwurzelt. Meine Familie kommt ursprünglich aus Bosnien. Wie es so üblich war, sieht man „die Heimat“ jedes Jahr in den Ferien. Doch als Kind die eigene Heimat zu benennen, ist nicht leicht. „Wo kommst du denn her?“ ist eine Frage, die ich viele Jahre nicht in einem Satz beantworten konnte. Durch diese „Zweigehörigkeit“ hatte ich lange mit meiner Identität zu kämpfen. Man schleppt als Generation, die hier in Österreich geboren oder früh nach Österreich gezogen ist, den emotionalen Rucksack der Eltern mit. Der eigene kommt irgendwann dazu. Beide zu tragen – eine unzumutbare Last. Einen abzulegen – keine Chance, damit signalisierst du Distanz und Abschottung zum einen oder anderen. Einen neuen Rucksack füllen – mein Weg, einer mit vielen Sackgassen, Umfahrungen und Baustellen. Aber das war es wert, nur so habe ich „meinen“ Weg finden können.
So war es dann auch, dass ich mit meinem Rucksack, gefüllt mit einer Diversität an Kulturen, Sprachen, Glauben und Spiritualität an die Universität Salzburg gekommen bin. Ich habe etwas studieren wollen, dass zu meinem Rucksack passt. Anglistik und Amerikanistik war meine Wahl. Die Reaktionen meiner Familie: „Was kannst du danach arbeiten?“ (Alles, was keine konkrete Berufsbezeichnung hat, ist nichts Gescheites.) „Also, du lernst da Englisch?“ (Uhm, really?) Mein Problem: Ich konnte mich ja nicht mal richtig erklären, weil ich das Vokabular dafür in meiner ersten Muttersprache (Bosnisch) nicht hatte (und bis heute nicht habe). Fehlendes Verständnis vorprogrammiert.
Ich habe den Bachelor und Master am Fachbereich Anglistik und Amerikanistik abgeschlossen. In der Zeit habe ich gemerkt, wofür ich stehe: Ich will Personen anregen, miteinander den Austausch zu suchen und keine Furcht vorm Andersdenken zu haben. Das hat mich irgendwann zum Projektmanagement und an die SMBS geführt, an der ich den Universitären Projektmanager und weitere Zertifizierungen in dem Bereich abgeschlossen. (Kleiner Auszug an Reaktionen aus der Familie: „Kad ćes već jednom završiti tu svoju školu?”)
Welche Erfahrungen hast du bis jetzt als Frau mit Migrationshintergrund gemacht?
Indira: Ich habe viel über diese Frage nachdenken müssen, weil ich selbst nie das Gefühl hatte, eine Erfahrung wegen meines Migrationshintergrunds zu machen. Der Grund ist der, dass ich mich nie als Frau mit Migrationshintergrund gesehen habe. Ich bin Indira Ćejvan (ehem. Halilović). Ja, ab und an mal buchstabiere ich meinen Nachnamen, aber das macht ein Meier (Mayer? Mair?) doch auch. Dank meiner Eltern habe ich immer schon so ein Mindset gehabt. Das hat nichts mit Verdrängung oder Verleumdung zu tun, sondern mit Gleichstellung.
Würdest du sagen, du hast in bestimmten Situationen eine Innere Balkan Stimme?
Indira: Und wie ich die habe: Dankbarkeit.
Eine Person vom Balkan wird gerne als temperamentvoll bezeichnet, der Humor oft zynisch und sarkastisch. Die Gründe dafür können teils in der konfliktreichen Geschichte dieser Völker liegen. Gleichzeitig sind sie auch dankbar für das, was sie haben und sind. Genau diese Einstellung lebe ich: „Budi zahvalna.“ So schätze ich immer wieder die Taten meiner Eltern und tue gleichzeitig mir selbst etwas Gutes: Mich in Geduld oder, wie mein Vater sagen würde, „sabur“ zu üben. Damit lerne ich Gelassenheit.

Was sind typische Situationen, in denen deine Kraft der Gedanken zum Vorschein kommt?
Indira: Dankbarkeit und Sabur/Gelassenheit übe ich in den unscheinbarsten Situationen. Vor allem aber in Konfliktsituationen im Privat- und Berufsleben.
Wie wirken sich deine Gedanken auf dein Handeln in Konflikten aus?
Indira: Sie sind der Regen, der das temperamentvolle Feuer kontrolliert oder auch löscht. Dankbar zu sein und so mit einer Portion Gelassenheit ein hitziges Gespräch zu führen bewirkt, dass ich meine innere Ruhe finde und meinem Gegenüber Respekt schenke. In der doch von Männern dominierten Welt, in der ich arbeite, kann das leicht als Zeichen der Schwäche interpretiert werden. Noch dazu bin ich eine junge Frau, klein und zierlich obendrein. Aber das sind Äußerlichkeiten. Wahre Stärke kommt von Innen. Und die hole ich mir auch aus dem Schatz an Erfahrungen und Lebensweisheiten, die mir meine Balkan-Roots geben.
Hast du im Konfliktmanagement einen optimalen bzw. best-practice Lösungsweg für dich gefunden?
Indira: Ich bin ehrlicherweise noch auf der Suche nach meiner persönlichen best-practice Lösung. Ich denke auch, diese ändert sich mit dem eigenen inneren Heranwachsen (das für mich nie aufhören wird). Was ich allerdings gelernt habe ist Folgendes: Ein Konflikt ist eine äußerst komplexe Angelegenheit. Durch eine Portion Gelassenheit vermeide ich es, mich irrational in die Situation hinein zu steigern. Ich habe gelernt, dass ein Konflikt nicht gleich ein persönlicher Angriff ist. Mit dieser Einstellung übe ich mich in empathischer Kommunikation. Und deshalb sehe ich Empathie als eine Kompetenz an. Speziell bei mir ist sie sicherlich aufgrund meines bikulturellen Hintergrunds und meines persönlichen Charakters so stark ausgeprägt. Ich bin mir der Stärke von Empathie bewusst, weil ich sie selbst gebraucht und mein Umfeld von mir verlangt hat. Mit Empathie schaffe ich es, meinen beruflichen Alltag zu meistern. Denn als Projektleiterin muss ich eine gehörige Portion Empathie mitbringen, um mit vielen unterschiedlichen Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen, Mindsets und Vorstellungen ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Durch Empathie nehme ich alles bewusster wahr.
Kann zu viel Empathie auch negativ für den persönlichen Erfolg sein?
Indira: Zu viel Verständnis und Empathie können einen ausbremsen. Man kann die unendlichen Tiefen der menschlichen Psyche und des menschlichen Verhaltens nicht in jeder Situation ausreichend berücksichtigen. Man kann aber stets respektvoll und fair bleiben.
Doch was ist überhaupt „persönlicher Erfolg“? Den definiere ich sicherlich etwas anders als du. Allgemein gesagt bin ich überzeugt davon, dass Empathie dann ins Negative umschlägt, wenn die eigene Integrität und Authentizität gefährdet ist.
Gibt es einen gemeinsamen Berührungspunkt von Innerer Stimme, Konfliktmanagement und Empathie?
Indira: Der gemeinsame Berührungspunkt ist bei mir persönlich mein Berufsfeld: das Projektmanagement. Ich habe von meiner Mentorin und guten Freundin, Sabine Reithofer-Reinhardt, gelernt, auf meine Kompetenzen zu vertrauen. Diese haben mich ins Projektmanagement geführt. Neben den fachlichen und technischen Kompetenzen braucht es in diesem Beruf eine Menge an „human skills“ (Begriff von Simon Sinek), denn in jedem Projekt „menschelt“ es irrsinnig. Meine innere Stimme, meine Art, mit Konflikten umzugehen, und mein Empathievermögen machen aus mir die Projektleiterin, die ich heute bin.
Wo wird das Zusammenspiel von Innerer Stimme, Konfliktmanagement und Empathie sichtbar?
Indira: Das wird tatsächlich in meiner täglichen Arbeit sichtbar – mal besser, mal weniger gut; mal zu meiner Zufriedenheit, mal nicht; mal von anderem Wert geschätzt, mal nicht. In Projekten kommt es regelmäßig zu Problemen, die gelöst werden wollen. Das löst automatisch einen Konflikt aus. Aber ein Konflikt ist ja nicht gleich eine Eskalation. Ich stelle mich dem immer so gegenüber, dass ich dankbar bin, wieder eine Herausforderung meistern zu dürfen, an der ich hoffentlich nur wachsen und daraus etwas lernen kann. So stellt sich automatisch eine empathische Kommunikation mit allen Beteiligten ein. Ich muss natürlich zugeben, dass mir das nicht immer gelingt. Aber hey, ich reflektiere und weiß, dass ich noch viel zu lernen habe. „Pamet u glavu.“ – Ich nehme die Redewendung wörtlich! 😊