Politische Partizipation

Vorbilder, Role Models

Wie wirken Medien und Politik auf die Gesellschaft? Wir haben bei Natalija Traxler nachgefragt. Natalija ist Studentin im Fachbereich Kommunikationswissenschaften und Germanistik, sowie Mitglied einer Lehrredaktion bei FS1. Dort ist sie regelmäßig im „So Wochenkommentar“ zu sehen.

Erzähle uns etwas über dich! Was zeichnet dich aus?
Natalija: Durch die kulturell gemischte Ehe meiner Eltern geriet ich in jungen Jahren in eine ziemliche Krise. Meine erste Muttersprache definiere ich als Deutsch. Serbisch, die Herkunftssprache meiner Mutter, begann ich erst sehr spät, mit ca. 14 Jahren, zu lernen, allerdings vor dem hauptsächlichen Hintergrund, zu bestimmten Freundesgruppen ‚dazuzugehören‘.


Die tiefgreifende Identitätskrise, die damit einherging, mache ich dafür verantwortlich, dass ich mich heute am Balkan gut (ausreichend) verständigen kann. Denn mein Wille nach balkanischer ‚Zugehörigkeit‘ war die Motivationsquelle beim Erlernen der zweiten Sprache. Ich bin entsprechend dankbar, dass meine Krise trotz allem etwas Positives hinterließ und ich heute eine Sprache spreche, die in Österreich weit verbreitet ist.

Noch viel wichtiger ist rückblickend betrachtet allerdings, dass ich gelernt habe, meine gemischte Herkunft als eine Einheit zu betrachten, um mich selbst nicht mehr so zerrissen zu fühlen.
Ich glaube im Übrigen, dass sich viele Menschen mit Migrationshintergrund mit jener (Zugehörigkeits-) Zerrissenheit identifizieren können.


In diesem Zusammenhang empfehle ich gerne den Roman „Die Brücke über die Drina“ des jugoslawischen Nobelpreisträgers Ivo Andrić, welcher mich in meiner Entwicklung stark prägte, inspirierte und bestärkte.
Der Roman schildert in chronischer Abfolge und in literarisch-künstlerisch gestalteter, aber die Wirklichkeit unverzerrt verfasster Form zahlreiche Ereignisse der Geschichte des Balkans. Handlungsträger dafür ist eine steinerne Brücke, auf welche das gesamte historische und narrative Geschehen projiziert wird. Sie kann als Verbindungsstelle zwischen verschiedenen Ethnien, als Symbol für Multikulturalität, verstanden werden.


Im Zuge meiner Matura beschäftigte ich mich intensiver mit der Thematik, was mir half zu verstehen, dass das metaphorische Bauen von Brücken in verschiedensten gesellschaftlichen Kontexten eine besondere Rolle einnehmen kann. Entsprechend ist es mir bei meinem journalistischen Bestreben ein Anliegen, politische Denkprozesse anzuregen, die jeden einbinden und das Potenzial besitzen, Brücken zwischen unterschiedlichen sozialen Gruppen und Kulturen zu bauen.


Sollten Medien mehr Verantwortungsbewusstsein für die Gesellschaft zeigen?
Natalija: Leider werden Minderheitengruppen in österreichischen Medien derzeit noch nicht zu Genüge abgebildet. Menschen mit Migrationshintergrund fühlen sich daher oftmals weder thematisch angesprochen, noch repräsentiert, was häufig dazu führt, dass ein mangelndes Bewusstsein für Medien und Politik herrscht.

Das Potenzial der Medien, politische Partizipation auch bei Menschen mit Migrationsbiografie zu fördern, ist meines Erachtens nicht ausgeschöpft. Darüber hinaus könnte man außerdem mit bestimmten Aufklärungsangeboten ein friedliches Miteinander der (häufig noch immer konfliktbereiten, postjugoslawischen) Völker in Österreich stärken.

Trotz aller Kritik in Bezug auf die lückenhaften Medieninhalte sollte sich allerdings niemand von der eigenen Verantwortung freigesprochen sehen, politisches Interesse zu zeigen.

Wochenkommentar zum Thema der demokratischen Bewusstseinsstiftung:

Wie schätzt du das Level der Chancengleichheit in Österreich derzeit ein?
Natalija: In Österreich spricht man aktuell von rund 300.000 Menschen, die
armutsgefährdet sind. Davon ist die Hälfte sogar vollzeitbeschäftigt. Häufig besteht auch ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Armutsgefährdung und der Herkunft der Betroffenen. Viele von ihnen weisen eine Migrationsbiografie auf.

Die Herkunft wirkt sich wiederum auf die Bildungsmöglichkeiten aus. Denn Bildung wird stark vererbt. Junge Menschen aus Familien mit Migrationshintergrund sind an den Unis nach wie vor eine Ausnahme. Hierbei ist die Politik für mehr Einsatz im Bereich der Chancengleichheit in Österreich gefragt. Davon würden im Ergebnis auch viele Menschen mit balkanischen Wurzeln, die immerhin die größte Migrationsgruppe in Österreich bilden, profitieren.

Wochenkommentar passend zum Thema: